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Die Moskito-Plage ist draußen vor dem Netz geblieben, ich habe nach dem leckeren Essen, einem schönen Sonnenuntergang und dem Ale gut geschlafen. Wenn alles gut geht, wird es heute ein richtig guter Photo-Tag: Ich stecke den Kopf aus dem Fenster und das Wetter ist super: Blauer Himmel, aber mit kleinen weißen Wölkchen! Na, geht doch!
Die Route führt heute am Eilean Donan Castle vorbei und dann auf die Insel Skye. Wenn ich gut durch komme, kann ich dort bestimmt noch ein paar Motive finden. Fest vorgenommen habe ich mir den Leuchtturm Neist Point im Abendlicht. Da will ich schon seit Jahren hin und stecke schon am Morgen voller Vorfreude. Es stehen aber auch sonst ein paar tolle Motive auf dem Plan für heute.
Nachdem alles im Wagen verstaut ist, schaue ich erst einmal eine weile den Booten auf dem Kaledonischen Kanal beim Schleusen zu. Ein gemächliches Treiben. Und auf der A82 nach Nordwesten bleibe ich dann nach ein paar Meilen weiter gleich wieder im kleinen Ort Laggan hängen: Die Schleusen dort liegen malerisch im Tal. Der Ideale Ort um das Frühstück zu genießen! Ich schlendere einmal am Steg entlang, schaue mir ein Hausboot von LeBoat an und überlege, ob eine Woche Bootsurlaub auf dem Caledonian Canal ein lohnenswerter Urlaub wäre – oder vielleicht doch etwas lang? Nach der Erfahrung auf dem Canal du Midi erscheint es einerseits sehr entspannt – aber zum anderen wartet hier in Schottland noch so viel, was man vom Boot aus schlicht nicht erreichen kann. Die meisten Leuchttürme bleiben einem vom Hausboot aus unerschlossen, denn dazu müsste man über die offene See fahren – was die meisten Vermieter ausschließen. Mit dem Exemplar von LeBoat, das vor uns liegt würde ich das auch gar nicht wagen wollen!
Kurz nach Laggan geht es auf die A87 und hoch über dem Loch Garry weiter nach Westen. Von hier oben betrachtet soll der See die Form von Schottland aufweisen! Ich bin sicher, dass sich das ein örtliches Touristenbüro ausgedacht hat, nachdem am Nachmittag eine Flasche guter, schottischer Sonne in Flaschen die Kreativität angeregt hat! Sobald ein Landgewinnungsprojekt die Küstenlinie von John ‘o Groats bis Fraserbourgh geschlossen hat und damit Inverness im Binnenland den geografischen Mittelpunkt von Schottland definiert – dann kämen wir der Sache schon näher. Vielleicht hat man das im nüchternen Zustand jetzt auch bemerkt und lässt den Blick auf den See deshalb vom Parkplatz aus langsam zuwachsen. Jedenfalls muss ich mich auf einen schmalen Pfahl stellen, um überhaupt einen Blick zu bekommen. Was ich sehe macht mir Angst: Was sollen die Wolken da? Ich bin auf dem Weg nach Eileen Donan Castle – und gerade jetzt tropft mir gerade etwas aus der zunehmende Bewölkung auf die Linse?
Aber bis zum Castle ist es noch ein bisschen Weg weiter die A87 entlang und das Wetter in Schottland ja bekannt wechselhaft. Hoffe ich mal, dass es jetzt für mich spielt. Am Loch Loyne und Loch Cluanie fahre ich vorbei, welche beides noch Binnenseen sind. Dann aber geht es am Ufer des Loch Duich entlang, bei dem es sich schon wieder um einen Meeresarm handelt. Da unterscheiden die Schotten nicht: Alles was Wasser hat ist halt ein “Loch”.
Die A87 zieht sich am rechten Ufer des Lochs immer eng am Berg entlang. Man hat einen schönen Ausblick auf den Meeresarm und nachdem etwa die Hälfte der Uferstrecke abgefahren ist auch immer wieder erste Ausblicke auf Eileen Donan Castle. Es steht in jedem Reiseführer und auf der Hälfte aller Reiseführer ist es auf dem Deckblatt abgebildet! Nicht zu unrecht: Diese Burg liegt taktisch klug gewählt durch das Wasser geschützt (die Brücke davor in der Form wurde erst viel später gebaut). Es gibt am Rand der Strasse einige Möglichkeiten das Auto zu parken und einen Blick auf die Burg zu werfen. Von hier aus kann man gut die Szenerie betrachten, wie die Burg den Zugang zum Loch Duich bewacht. Ich genieße den Blick in Ruhe, denn ich kann mir gut vorstellen, was gleich an der Burg auf uns wartet. Die Busse der Touristikbetreiber kommen eigentlich selten über den Kaledonischen Kanal nach Norden – nur für Eileen Donan Castle machen sie eine Ausnahme. Das muss natürlich mit im Paket sein. Daher ist Eileen Donan dann der Wendepunkt für viele Reisen. Nur manche trauen sich auch bis zur Isle of Skye.
Vor Ort gibt es dann auch einen großen Parkplatz. Ich will keine Besichtigung machen, von außen ist das Gebäude schon beeindruckend genug. Es ist keine große Anlage, dafür aber gut erhalten und sie bietet ein in sich stimmiges Bild. Niemand hat versucht der Mode zu folgen und es in ein Renaissance-Schloss umbauen zu wollen. Keine Schnörkel und Stuckarbeiten, die dort nicht hingehören. Auch das 20. Jahrhundert hat keine schlimmen Spuren nach außen hinterlassen. Das Ambiente lebt einfach von der Symbiose des Gebäudes mit der umgebenden Landschaft. Diese Burg passt einfach so wie sie ist hier sehr gut hin. Ob diese Wahrnehmung schon eine Folge der Rezeption der Bilderflut von Eileen Donan ist? Wenn auch, ich schau sie mir alle gern an!
Der Himmel ist teilweise bedeckt, hat sich aber schon etwas aufgelockert. Leider bin ich am frühen Nachmittag hier und die Sonne steht sehr hoch. Ich will auch noch weiter, so dass ich mit dieser Lichtsituation jetzt halt zu leben habe. Das ist der Fluch der getriebenen. Richtig gutes Licht gibt es hier erst in vielleicht fünf Stunden! Aber dafür bin ich mit den Wolken ausnahmsweise einmal zufrieden. Sie nehmen dem Licht die Härte und zudem sind es noch Cumuli – die geben dem Bild eine gewisse Dramatik.
Am meisten wird das Schloss von der Vorderseite fotografiert, wo die Brücke einen Blickfänger darstellt. Das kann ich bei dem Andrang heute vergessen. Da muss man früh kommen oder spät gehen. Oder im Winter bei wenig Licht lange belichten. Dann hat man mit etwas Glück keinen halb-durchsichtigen Touristen-Schlossgespenst auf der Brücke.
Häufig sieht man auch die Ansicht von Süden kommend. Fährt man jedoch nach Norden weiter über die kleine Brücke und biegt dort sofort links ab, so kommt man an einen Parkplatz mit einem kleinen Café. Dort hat man einen wundervollen Blick auf die Burg und Loch Duich im Hintergrund. Und komischerweise steht unser Auto hier allein und niemand fotografiert mit mir. Das gefällt mir schon viel besser.
Da ich heute noch etwas vor habe, auf das ich mich noch mehr freue als auf Eilean Donan Castle, fällt mir der Abschied nicht schwer. Entlang des Lochs führt die A87 schnell bis nach Kyle of Lochalsh. Hier steht seit 1995 die Skye Bridge, die es uns ermöglicht bequem trockenen Fußes auf die Insel Skye zu kommen. Und das kostenlos! Das war nicht immer so: Die Brücke wurde aus privaten Geldern finanziert und anfänglich durch eine Mautgebühr gegenfinanziert. die Brückenmaut war teurer als die Fährkosten vorher, die Fähre aber eingestellt worden. Bis der freiheitsliebende (und hier wohl auch sprichwörtlich sparsame) Schotte auf den Plan kam: Eine Protestbewegung zwang letztlich durch zivilen ungehorsam die Politik in die Knie! Die Brücke wurde verstaatlicht und ist seitdem kostenfrei zu nutzen. Diese Geschichte macht mir die Schotten sympathisch und sicherlich ist die kostenlose Brücke inzwischen auch kein schlechtes Argument für den Tourismus auf Skye.
Die Skye Bridge selbst nicht atemberaubend. Wenn man hinüber fährt, dann ist sie aushaltbar hässlich. Von außen betrachtet ist es schlimmer. Sie ist einfach nur praktisch. Von oben halte ich nach dem Leuchtturm ausschau, kann ihn aber nicht sehen. Morgen werde ich merken warum.
Anhalten werde ich heute nicht, denn im inneren habe ich einen anderen Leuchtturm, der mich magisch anzieht: Neist Point. Seit Jahren sehe ich immer wieder Bilder von ihm und jedes mal möchte ich genau dort hin. Er liegt wie kein anderer eingebettet in die Landschaft: Hinter einer Klippe, auf einer niedrigeren Klippe am Meer. Ganz am Ende einer Landzunge. Unerreichbar mit dem Fahrzeug, die letzte Meile geht nur noch zu Fuß. Und dort will ich heute noch hin – ganz ans Ende des Landes. Und ganz ans Ende fährt man bekanntlich recht weit. Und genau deshalb kann ich jetzt nicht anhalten, sondern will zeitig einen Zeltplatz suchen und das Zelt aufbauen. Denn der Plan ist, zum Sonnenuntergang am Neist Point zu sein – und mit etwas Glück das Abendlicht auf den Klippen zu haben!
Als Zeltplatz suche ich mir die Sligachan Campsite aus. Es ist ein einfacher Platz: Gemähte Wiese, ein paar Schotterwege und ein kleines Haus aus Bruchsteinen mit Toiletten und Duschen. Mehr gibt es nicht: Kein Strom, keine Rezeption und kein Personal. Was es aber gibt: Eine gute Verkehrsanbindung, denn der Zeltplatz liegt genau an der Kreuzung der A87 mit der A863 – egal ob in den Norden, den Süden oder den Westen – direkt vor dem Tor gehen Straßen in alle Richtungen ab. Nur nicht nach Osten – denn wir sind ja bereits dort. Überhaupt: Das Tor – ein richtiges Tor gibt es nicht. Es gibt nur ein einfaches Gatter wie zu einem Feld. Es ist immer auf und wird vermutlich nur im Herbst einmal zu und im Frühjahr wieder auf gemacht. Der Platz ist offen und liegt auch genauso in der Landschaft: Am landseitigen Ende einer Bucht liegt er auf der einen Seite an der Mündung des Sligachan River, der genau hier zum Meeresarm wird. Man zeltet ein wenig am Wasser, aber mit einem Blick auf den Sgurr Mhairi, der hinter dem Wasser aufsteigt und mit anderen Kuppen eine Bergkette bildet. Ein toller Ort, ich mag ihn auf den ersten Blick.
Das Zelt ist schnell aufgebaut und es geht schon langsam auf den den Abend zu, als der Motor der Clio wieder läuft. 33 Meilen sind es bis zum Ende der Insel. Aber als ich auf dem Schild an der Kreuzung in Sligachan den Hinweis “Talisker” lese, weiß ich, wo ich als erstes hin fahre. Die Destille liegt geradezu am Weg. Und vor Ort komme ich nur wenige Minuten vor Ladenschluss auf den Parkplatz gerollt. Es reicht gerade noch, um hinein zu schlüpfen und zwei Nosing-Gläser sowie zwei Mini-Fläschchen des Talisker 10 years zu kaufen. Für eine Besichtigung ist keine Zeit und ich muss gestehen – die Destille selbst enttäuscht mich ein wenig. Klein sieht sie von außen aus – so bekannt, wie der Talisker ist, hätte ich sie mir größer vorgestellt. Wunderschön am Ufer des Loch Harport gelegen ist die Destille selbst nicht wirklich schön. In einer Lagerhalle werden hinter einer offenen Tür Fässer abgefüllt. Aber ein Teil der Gebäude sieht dort aus wie – wie Lagerhäuser eben. Mit Wellblech anstatt Bruchsteinen. Das alles macht nichts, denn dem Whisky selbst macht es nichts. Man mag ihn, oder nicht. Er ist etwas schärfer und rauher, manche sagen etwas salzig. Ich mag ihn.
Wer mag, kann sich die Destille bei Google Maps anschauen – von draußen nach drinnen kann man durch das kleine Museum und die Produktion wandeln. Gemütlich von zu Hause aus, wer mag mit einem Glas in der Hand für das “echte” Gefühl!
Die Talisker-Destille liegt nicht – wie der Name vermuten lassen würde – in Talisker, aber auch nicht an der Mündung des Loch Harport. Und so geht es erst ein gutes Stück zurück, um den Loch herum und auf der anderen Seite zieht sich die Erst muss Der Weg zum Neist Point zieht sich die A863 meist durch das wellige Binnenland, berührt aber mehrmals das Nordufer des Lochs und gibt dabei atemberaubende Blicke auf den Meeresarm und die Landschaft frei. Dafür halte ich dann auch gern noch mal an, selbst wenn es mich zum Leuchtturm zieht.
Noch ein kleiner Abstecher bis zum Dunvegan Castle, aber auch dort ist es für eine Besichtigung zu spät. Das Castle liegt ein wenig versteckt.
Weiter zum Neist Point geht es auf die A884 – und bisher waren alle Straßen toll zu fahren. Doch die letzten zwei Meile bis zum Neist Point sind sprichwörtlich wirklich die Letzten: In der Nähe gibt es Straßennummern, die mit “B” anfangen und sogar welche mit vier Stellen. Aber diese Straße hat keine Nummer mehr! Zwar ist die Waterstein Road asphaltiert – aber eigentlich auch nur zu etwa 80 %. Der Rest besteht aus dem, was von der Asphaltierung noch übrig ist: Schotter, Brocken, Löcher. Ich liebe solche Straßen, die kaum breiter sind als die Außenspiegel meiner Clio und diese fällt genau in diese Kategorie. Aber ich mache mir ein wenig Sorgen um die Radaufhängung – die Clios neigen manchmal zu Federbrüchen. Meine Clio steht rundum schon auf neuen Federn, die Dame hat ja auch schon 250.000 km auf der Uhr. Meine Wahl fiel auf dezent härter Federn. Reanult hat ab Werk für die flotte Fahrweise für meinen Geschmack (und im Hinblick auf sicheres Ausweichverhalten) viel zu weiche Federn gewählt. Vermutlich hatten sie dabei aber Straßen wie diese im Sinn – die es so ähnlich auch in Frankreich gibt. Eine gute Wahl unter diesen Voraussetzungen. Hier wünschte ich mir die originalen Federn und Dämpfer zurück. Es hilft nur konsequent langsames fahren will man sein Fahrzeug in einem Stück am Parkplatz haben.
Vom Parkplatz aus hat man den Blick auf die Landnase mit der großen Klippe gerichtet. Nur eines sieht man nicht: Den Leuchtturm. Der versteckt sich genau hinter dem Hügel. Die meisten Bilder von Klippe und Leuchtturm sind von den Klippen zur Rechten aus aufgenommen. Mich hält aber nichts mehr auf dem Parkplatz und ich schlage den Weg geradeaus ein. Der Pfad, der erst hinunter und dann auf den Klippen wieder herauf zum Leuchtturm führt. Links und rechts stehen verstreut die Schafe in der Landschaft, und nirgends würden sie besser hin passen als hier. Für die Touristen haben sie nicht mehr als einen Blick mit einem gelben Auge übrig. Ab und zu geben sie ein gemütliches Blöken von sich. Ich mag die Schafe. Das Gras ist grün – wenn auch im Moment nicht ganz so saftig und grün wie vielleicht sonst. Aber ich bin fest überzeugt – es sind glückliche Schafe hier draußen am Ende der Insel!
[Bild Schaf]
Zum Leuchtturm führte wohl einmal eine Seilbahn hinunter. Es sind noch die rostigen Reste davon zu sehen. Funktionieren tut sie wohl schon lange nicht mehr. Wer hier im Hostel in den alten Wärter-Häusern eine Nacht verbringen wollte, musste sein Gepäck die Hügel hoch und hinunter schleppen. Vielleicht war auch das ein Grund, warum das Hostel wohl keinen Bestand haben konnte. Als ich am Leuchtturm ankomme, ist er einsam und verlassen. In den Häusern sind nur noch die Reste des Betriebs zu erkennen. Überhaupt ist wenig los: Sonst ist nur noch ein Pärchen auf der Halbinsel unterwegs, der Ort ist ruhig. Viel ruhiger, als ich es erwartet hätte.
Hier stehe ich nun und eigentlich bin ich angekommen am Ziel der Reise. Natürlich will ich noch weiter hoch – und bis ganz in den Norden Schottlands. Ich bin gespannt, wie es dort aussieht. Aber hier, der Leuchtturm von Neist Point, das ist vielleicht der wichtigste Grund, warum ich nach Schottland gekommen bin. Ruhig steht er dort und verlassen. Wenn sonst keiner drin wohnen möchte – ich könnte es tun. Es ist ein magischer Ort. Diese Landschaft in der Form gibt es sonst nirgends. Der Blick reicht über das Meer und in der Ferne fängt er sich an den Äußeren Hebriden. Nach Norden, nach Süden, nach Westen und Osten ist das Meer. Nur noch Nordosten der schmale, aber schroffe Steg der den Leuchtturm mit der Insel verbindet. Ich könnte hier wohnen. Zumindest glaube ich das. Die Abgeschiedenheit, die Entfernung zur Zivilisation – mir würde das nichts ausmachen. Glaube ich zumindest. Probiert habe ich es nie. Dafür der Ausblick vom Turm auf das Meer, die Inseln und die frische, kühle Luft. Jeden Tag. Ja, ich glaube, ich könnte hier leben. Ich bräuchte nur ein anderes Auto. Einen Land Rover vielleicht.
Auch von Südwesten aus aufgenommen hat der Leuchtturm seien Reiz: Er steht auf einer kleinen Klippe aus Basalt-Säulen. Nur mit einem Weitwinkel-Objektiv bekommt man die Szemerie erfasst. Das verzerrt leider etwas die Proportionen.
Die Sonne senkt sich nieder und ein weiches Abendlicht fällt auf die Szenerie. Ich mache mich auf den Weg zurück in Richtung Parkplatz und möchte oben noch ein Stück an den Klippen entlang nach Nordwesten gehen um den Ausblick auf die Klippen und den Leuchtturm zu haben, wenn die Sonne zum Horizont fällt. Und es ist ja ein Stück zu laufen bergan und ab.
Hatte ich mich schon zum schottischen Wetter geäußert? Es ist legendär. Ich bin so froh, dass ich die Bilder am Leuchtturm selbst im Abendlicht machen konnte. Da war es ein klarer Himmel – nur über den äußeren Hebriden lagen sachte Kappen aus Wolken. Jetzt kam erst eine dünne, hohe Wolkenschicht – wie ein dünnes Tuch über den Himmel. Dann kamen die tieferen Wolkenschichten. Innerhalb einer halben Stunde war die Landschaft unter einer dicken, dunklen Wolkendecke begraben. Keine Chance auf Abendsonne auf dem Fels.
Oben auf den Klippen stehe ich und möchte meine Faust gen Himmel recken und rufen: “Warum? Und warum jetzt?”. Aber ich lasse es sein. Es sieht zu blöd aus in der Landschaft und stört die Ruhe, die ich hier genieße. Auch wenn mich niemand kennt – es sind die Hemmungen, die man mit sich herum trägt. Aber nach einem Moment der Besinnung nach der Enttäuschung ist es die Frage: Habe ich das Recht jetzt enttäuscht zu sein? Warum? Ich habe einen langen Weg heute hinter mir, habe tolle Dinge gesehen und einige, gute Fotos gemacht. Darf ich den perfekten Untergang noch verlangen – oben drauf? Ist es nicht Gewinn genug, genau hier zu sein? Am Ende des Landes, am Beginn des Meeres, hoch oben über dem Wasser. Mit dem Blick auf einen der fantastischsten Plätze in Schottland. Abendlich hin oder her. Und meine Meinung und mein Wille bewegen das Wetter so wie so nicht.
Ich schließe Frieden mit den Gedanken um diesen Tag und fasse den Beschluss, lieber jetzt aufzubrechen, als den Sonnenuntergang ganz abzuwarten. Den der Weg zum Zelt ist noch 34 Meilen lang. Er ist teilweise schmal, kurvig, unbekannt und man fährt links. Mein Bauchgefühl sagt mir: Es ist besser und einfacher, ihn im Restlicht des Tages zu fahren als im Scheinwerferlicht. Und das tue ich.
Google Maps sagt für die Strecke zurück nach Sligachan 58 Minuten voraus. Das Problem mit Google Maps ist: Hier in Schottland liegen die Voraussagen nach meiner Erfahrung der letzten Tage meist deutlich zu optimistisch. Die typische, schottische Straße verlangt dem Fahrer mehr ab als der bunte Strich auf der Karte erwarten lässt.
Nachdem das Auto erst einmal die schlaglochübersäte Waterstein Road unter sich weg geschoben hat, wird die Fahrt auch flüssiger. Die Kurven legen den Wagen abwechselnd links und rechts in die Federn. Die Augen tasten die Straßenoberfläche ab, das Unterbewusstsein füttert mich zuverlässig mit Schätzungen der möglichen Kurvengeschwindigkeit. Die Hand führt den Schalthebel, der Fuss kuppelt, die Hand lenkt im richtigen Moment ein -es ist nicht der Kopf, es funktioniert von allein und es funktioniert gut.
Die Straßenoberfläche ist meist rauh und bietet gute Haftung. Ich fahre flott, aber nicht aufgeregt. Konzentriert, aber nicht angespannt. Das Asphaltband fließt einfach unter mir hindurch. Im Nachhinein erinnere ich mich kaum an Details der Fahrt zurück nach Sligachan . Ich glaube es gab kein anderes Auto auf der ganzen Strecke. Es ist ein einziger Fluss – ein Flow. Und nach 55 Minuten steht der Wagen wieder neben dem Zelt.
Gab es heute ein Mittagessen? Nein. Oft wird bei mir auf Reisen der übliche 3-Mahlzeiten-Tag zu einem 2-Mahlzeiten-Tag. Spätes Frühstück und ein warmes Abendessen. So auch heute, nur der Teil mit dem Abendessen steht noch aus. Schnell Wasser holen, den Benzinkocher anwerfen und bald schon liegt der Geruch unverbrannten Benzins in der klaren Luft, offene Flammen lodern bevor bis der Kocher schließlich wohlig rauscht und eine gleichmäßige Flamme das Wasser erhitzt: Heute gibt es Nudeln.
Draußen wird es zunehmend schummriger und nun auch deutlich kühler. Draußen am Kocher wird es ungemütlich. Als die Nudeln fertig sind, ziehe ich ins Zelt um. Beim Abendessen färben sich die Kuppen der Berge am anderen Ufer des Loch Sligachan leicht rötlich. Ein herrlicher Anblick. Während die Berge langsam im Dunkel verschwinden, entleert sich eines der kleinen Fläschchen von Talisker in eines der gekauften Nosing-Gläser. Keine Sorge: Ich werde es spülen, bevor ich es zu Hause verschenke.
Es war ein langer und ereignisreicher Tag. Aber jetzt habe das Gefühl, angekommen zu sein. Dabei ist es erst der sechste Tag dieser Reise. Alles, was jetzt noch kommt, ist eine Zugabe.
Ein Gefühl der Wärme und Zufriedenheit kommt in mir auf, während die Nacht langsam über das Zelt hereinbricht.