L8-WorX

Lass es noch einmal Leuchten, Sam.

Am 8. Oktober gab es auf der Sonne einen großen Massenauswurf. Das hatte selbst ich mitbekommen, denn es ging quer durch die Medien. Es war einer von mehreren starken Auswürfen zu Beginn des Oktober 2024. Obwohl nicht der stärkste der Gruppe, war es dieser Ausbruch, der am ehesten auf die Erde ausgerichtet und sich mit einer außergewöhnlich hohen Geschwindigkeit zur Erde unterwegs war. Ob es so etwas wie im Mai noch mal geben würde?

Bereits am Mittwoch hatte ich abends auf die App und gen Himmel geschaut. Trotz blumiger Versprechungen deckte sich der Blick in den Himmel mit dem Status in der App: „Es gibt hier nichts zu sehen“.

Jetzt war schon Donnerstag, der 10. Oktober. Am Freitag hatte ich frei und wollte in den Herbsturlaub. Ich war dabei, Wohnwagen und Auto zu beladen und schaute vom Kofferraum auf in den leicht bewölkten Himmel. Ein merkwürdig roter Schein hing in Richtung Nordost über dem Haus. Die Sonne war schon vor einiger Zeit im Westen untergegangen – letzter Sonnenschein konnte das nicht sein.

Ich nahm mein Telefon, legte es auf dem Autodach auf und bei maximaler Belichtungszeit von nur einer Sekunde zeigte sich deutlich ein riesiger Fleck aus Rot zwischen ein paar hellen Wolken. Mit dem Auge war nur deutlich rot-violetter Schein auszumachen – aber diffus und ohne Kontur – ähnlich eines rötlichen Lichtdoms auf einer Wolkenschicht. Das Bild schickte ich sofort einer Freundin.

Mit dem Fischauge habe ich mir ohne Gedanken an weiteren gestalterischen Wert erst mal einen einen Überblick über den Himmel verschafft. Die komplette Fotoausrüstung lag so wie so schon fertig gepackt im Auto.

Ein Bild zur Kontrolle, ob sich das Telefon nicht doch irgendwie farblich vertan hat. Nein - das hier ist eindeutig keine Bildstörung. Das Bild ist fast unbearbeitet aus der Canon EOS 5D MK III bei ISO3200, f/2.8 und 13 s - nur verkleinert und um eine halbe Blende abgedunkelt.
Ein Bild zur Kontrolle, ob sich das Telefon nicht doch irgendwie farblich vertan hat. Nein – das hier ist eindeutig keine Bildstörung. Das Bild ist fast unbearbeitet aus der Canon EOS 5D MK III bei ISO3200, f/2.8 und 13 s – nur verkleinert und um eine halbe Blende abgedunkelt.

Dieser Eindruck ist es wert, dass man die Urlaubspackerei liegen lässt und spontan fotografieren geht. Das Handy summt:

Schnell greife ich in der Wohnung ein paar Becher und eine Flasche Wasser. Für einen Kaffee in der Thermoskanne reicht die Zeit nicht. Wer weiß, wann die Götter das Licht wieder abschalten?

Halt, schnell noch eine Jacke dazugegriffen – inzwischen ist es ja Herbst. So einfach die halbe Nacht im T-Shirt unter tanzenden Lichtern auf der Wiese herumhopsen wie im Mai ist jetzt nicht mehr drin.

Motor an und einen Kilometer weiter habe ich Freundin und Freund aufgesammelt. Wo wollen wir hin? Erst mal auf den Berg und gucken. Der Berg bei uns ist der Haarstrang, auf dem wir genau so zu dritt auch schon im Mai die Bilder der Aurora aufgenommen hatten. Er ist ein toller Fotostandort: Als letzter oder vorletzter Höhenzug des Sauerlandes hat man einen freien Blick nach Norden bis weit hinein ins Münsterland. Man schaut von links nach rechts über die Lichter der Städte Dortmund, Lünen, Kamen, Unna, Werne, Werl und bis nach Hamm. Hier habe ich im Mai meine ersten Nordlicht-Fotos überhaupt geschossen und vor langer Zeit auch meine ersten Gewitterfotos. Wenn man auf ein Gewitter wartet, sieht man sie von Nordwesten hier heranziehen und kann sich unter eine Hochspannungsleitung als Schutzschild zurückziehen (Achtung: Trotzdem im Auto bleiben wegen der Schrittspannung). Das war damals noch mit meiner jungen und unschuldigen Canon EOS 350D.

Das Beste an diesem Berg aber ist: Man ist sehr schnell da. Er ist so nah, dass man zu Fuß hinauflaufen kann.

Dieser unser Hausberg hat aber auch eine Kehrseite: Es gibt viele Straßen. Ständig leuchtet einem ein Fern- oder Arbeitslicht von irgendeinem Fahrzeug in die Linse. Die vielen Städte am Rand des Ruhrgebiets überziehen uns insgesamt mit einer dichten Glocke aus Streulicht. Flughafen Dortmund, Autobahnkreuz Dortmund-Unna, Kraftwerke in Bergkamen-Rünthe, Werne und die immer noch beleuchtete Kohle- und Nuklearleiche des THTR in Hamm – alles trägt Streulicht in den Himmel.

Dazu meldet der Blick über das Münsterland heute eine sich immer weiter schließende Wolkendecke. Der Blick auf das Wetterradar meldet die Ankunft einer Wolkenfront mit leichtem Regenkern: Hier werden wir heute nicht glücklich werden!

Im Norden ist es besser. Die Wolkenkante liegt irgendwo bei Münster. Es ist jetzt kurz vor neun und die große Frage: Wie viel Zeit nehmen wir uns für die Fahrt nach Norden und wie lange bleiben die Lichter am Himmel? Wir fahren auf die A1 und entscheiden uns dort ganz entschieden für – eine spätere Entscheidung!

Die Kilometer fließen auf den Tacho und draußen fließt der Verkehr – nur nicht so flott, wie ich es gern hätte. Niemand weiß, wie viel Zeit wir haben. In Münster ist klar: Hier ist die Sicht inzwischen genauso schlecht wie daheim auf dem Berg. Wir bleiben auf der linken Spur zur Ems bei Greven. Wir haben schlicht Angst, dass wir die Polarlichter zeitlich verpassen. Ohne Plan an der Ausfahrt rechts ab und den nächstbesten Feldweg links rein. Hätte ich gewusst, dass in nur rund einem Kilometer Entfernung die noch junge Ems fließt, wäre ich weitergefahren: Fluss heißt auch Abendnebel – und den können wir heute nicht gebrauchen.

Als wir die Stative aufbauen, ist es schon fast viertel vor zehn. Die Wolkendecke scheint an einigen Stellen recht hell vom Himmel, der Flughafen Münster-Osnabrück ist nicht weit. Wir haben intuitiv nicht unbedingt den besten Ort der Welt gewählt, um unser Glück zu versuchen.

Immerhin bilden sich kleinere Wolkenlücken und durch diese hindurch ist selbst mit dem Auge das grüne Licht des Sauerstoffs zu erkennen – das rote Licht jedoch entdeckt man zu diesem Zeitpunkt nur auf der Aufnahme. Das Nordlicht hat während unserer Fahrt definitiv an Stärke verloren.

Beim Blick nach Norden sind ein grünes und sogar etwas rötliches Licht zu sehen. Ein Auto fährt in 10 s Belichtungszeit vorbei, während ein Flugzeug knapp unter den Plejaden vorbeizieht. Canon EOS 5D MK III bei ISO 1600 mit Sigma 15 mm f/2.8 EX DG bei f/3.2.

Jetzt heißt es weiter warten und hoffen, ob das Nordlicht noch einmal zulegt und uns die Wolkendecke nicht doch noch eine größere Lücke schenkt. In der Zwischenzeit mache ich weiter Bilder und schaue mich auch in den anderen Himmelrichtungen um. Anders als im Mai spielt sich heute aber alles im Norden ab. Über uns ist es komplett bedeckt und ich wechsle auf eine längere Brennweite und setze das 40 mm-Pancake an die Kamera. Das kann auch eine Offenblende von f/2,8 haben und ist dabei unglaublich klein und leicht, unglaublich scharf und war unglaublich günstig! Damit versuche ich mich an einem Panorama:

Panorama aus sieben Bildern im Querformat von etwa West bis Nordost – der Lichtdom stammt vom Flughafen Münster/Osnabrück. Canon EF 40 mm f/2,8 Pancake bei Blende 3,2 an der EOS 5D MK III bei nur noch ISO 1000.

Das Nordlicht hat nun an Stärke gewonnen, man beachte die halbierte Belichtungszeit bei gleicher Blende und geringerer Empfindlichkeit. Es scheint also noch nicht das Ende der Vorstellung gewesen zu sein. Auf dem Feldweg sieht man nun die Farben deutlich: Das Grün über dem Horizont und die Wolken leuchten rötlich!

Mit dem Auge ist es manchmal schwer zu erkennen, wo Wolken und wo die Lücken sind. Auf den Bildern ist gut erkennbar, dass der ganze Himmel intensiv rot strahlt und die Wolken nur den meisten Teil davon vor uns verdecken. Mit dem ergriffenen Blick gen Himmel sieht es aus, als wenn ein roter Strahl vom Himmel auf uns herunter zeigt! Ich zweifele keinen Moment daran, dass Menschen in der Vergangenheit bei Nordlichtern sofort an das Wirken göttlicher Wesen glaubten.

So kommt das Bild aus dem Fisheye: Sigma 15 mm f/2.8 EX DG bei f/3.2 an Canon EOS 5D MK3 für 5 s bei ISO 2000 belichtet. Zwischen grüner und roter Aurora steht der große Wagen. In der Mitte sind leicht Streamer zu erkennen.

Diese für uns so intensiv wahrnehmbare Phase dauert insgesamt vielleicht eine Viertelstunde. Die Nordlichter verschwinden nicht, aber sie werden nun immer schwächer, und dazu schiebt sich eine durchgehende Wolkendecke wieder von Westen in die Szenerie.

Gegen 22 Uhr ist die Show fast vorbei und schließlich ist morgen ja auch noch ein Tag – ein ganz normaler Arbeitstag für meine Freunde und ein langer Reisetag für mich!

Als alle Stative zusammengeschoben sind, mache ich noch schnell ein paar Schritte auf den Acker hinaus, um die Rundumkamera wieder einzusammeln! Ich kenne mich: Nicht undenkbar, dass ich diese hier im Dunkeln auf dem Feld stehen lassen würde!

Mit dem Canon EF 17–40 mm f/4L am langen Ende sieht man neben dem grünen und roten Spektrum hier auch eine höhere, violette Stickstoffanregung. Ein wenig unterbelichtet schon bei 10 s, f/4 und ISO 800.

Auf dem Rückweg ist die Autobahn leer und wir ziehen ein Fazit des Abends: Gut, dass wir losgezogen sind! Hätten wir weiter nach Norden fahren sollen? Vielleicht, aber schnell hätte man dann alles Nordlicht auf der Autobahn verpasst und außer Spritkosten wäre nur Frust geblieben.

Beim nächsten Nordlicht würde ich versuchen, mir vorher ein Motiv für den Vordergrund herauszusuchen und beim ersten Licht am Himmel sofort dorthin zu fahren.

Heute waren wir sehr spontan und haben doch ganz unerwartet am Ende noch eine richtige Show geboten bekommen. Geheimnisvoll wie der Blick durchs Schlüsselloch zwar und nicht so irre wie beim ersten Mal im Mai – aber das zu erwarten wäre nun wirklich vermessen!

P.S.: Rund drei Wochen später – nach dem Urlaub – stellt sich heraus, dass die Bilder der Rundumkamera samt der meisten Urlaubsbilder einem defekten Dateisystem der Speicherkarte zum Opfer gefallen sind. Daher gibt es kein Rundumbild und kein Video von diesem Nordlicht.

Schade, die Wolken im Zeitraffer hätten vielleicht einen interessanten Anblick abgegeben.

Weiter Beitrag

Zurück Beitrag

Antworten

© 2025 L8-WorX

Thema von Anders Norén